Zum Tod des Wolfgang Schäuble

Das Beileid den Angehörigen. Was Schäubles Positionen betrifft und Dinge, die ihm heute als Verdienst angerechnet werden, sind Netz und Medien gut gefüllt. Für Ostdeutschland und die Ostdeutschen am nachhaltigsten und einschneidendsten war seine Rolle 1990 als Verhandlungsführer der Bundesrepublik bei einem Abkommen, das „Vertrag zur deutschen Einheit“ genannt wurde.

Jahre später formulierte Schäuble dazu den entscheidenden Satz, und wenn darin von einem „Herrn de Maiziere“ die Rede ist, so sollte man für die Nachkommen erläutern, dass damit der letzte DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maiziere (ebenfalls CDU) gemeint war.

Der Satz, den man sich in der Tat in Gold auf einen Teller Meißner Porzellans malen sollte:

„Ich musste Herrn de Maiziere immer wieder darauf hinweisen, dass es sich um einen Anschluss der DDR und nicht um die Vereinigung von zwei Staaten handelt.“

(Aus: Wolfgang Schäuble, „Der Vertrag“)

Dem ist nichts hinzuzufügen. Bezogen auf diesen entscheidenden Umstand war seither von den maßgeblichen deutschen Politikern in Ost wie West eine solche Ehrlichkeit nicht zu vernehmen gewesen. Immerhin: Zumindest einer aus diesen Kreisen hat zumindest einmal die Wahrheit schriftlich niedergelegt.

Und der hieß Wolfgang Schäuble.

Das Foto entstand 1988 im märkischen Prebelow, wo behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsame Ferienwochen verbrachten. Ein zu diesem Zeitpunkt in der Bundesrepublik undenkbarer Umgang mit den als „Sorgenkinder“ verunglimpften Menschen. Von den rund 5.000 DDR-Kinderferienlagern überlebten vielleicht 200 die Zustände, wie sie nach Inkrafttreten des „Vertrags zur deutschen Einheit“ geschaffen wurden.

„Vielleicht lachen Sie jetzt über mich“

Udo an Erich: „Sonderzug“ war Dokument meiner Irritation/Eine Dokumentation

40 Jahre ist es jetzt her, seit Deutschrocker Udo Lindenberg einen Auftritt im DDR-Palast der Republik hatte. Das ist vielen im TV und Rundfunk ein Gedenken wert gewesen, und manchmal war dabei auch von einem Brief die Rede, den Udo im Vorfeld an DDR-Partei- und Staatschef Erich Honecker gesandt hatte. Warum aber wird allenfalls vorsichtig daraus zitiert, warum wird das Schriftstück nicht einfach in Gänze veröffentlicht? Weil darin Aussagen auftauchen, die im Rückblick das Bild des Rockers Lindenberg beschädigen könnten? Weil mehr Achtung vor der Politik Honeckers und der DDR darin zu Ausdruck kommt, als den heutigen Tugendwächtern und Rechtgläubigen lieb sein kann? Wir meinen: vielleicht. Rocklegende Udo Lindenberg und DDR-Staatschef Erich Honecker machten sich bekanntlich gegenseitig und in aller Öffentlichkeit Geschenke – und das, obwohl ihr Verhältnis nicht immer ein ungetrübtes war. Aber unter Freunden kann man sich auch mal verzeihen, wie der genannte Brief beweist, den Udo im August 1983 an Erich sandte. Dass der Rocker in diesem Brief zu seinem Lied „Sonderzug“ vorsichtig auf Distanz geht, Erichs Friedensliebe lobt und eine Zensur seines eigenen Programms anbietet, geht ziemlich weit – nichtsdestotrotz, so waren sie halt, die Zeiten. Das Schreiben möge – vollständig gelesen – für oder gegen Udo sprechen. Entnommen ist der Brief dem Band „Udo rockt für den Weltfrieden“, den die Stasi-Unterlagenbehörde herausgegeben hat (S.26 ff).

Matthias Krauß

Foto: Die Lindenberg-Schallplatte des DDR-Labels Amiga mit kleinem grünen Kaktus

„Vielleicht lachen Sie jetzt über mich“ weiterlesen