Mit dem 30er Jubiläum nichts gemein

Sehenswerte Landtags-Ausstellung zum Motto „Arbeit, Arbeit, Arbeit“

Von Matthias Krauß

Die DDR war eine Arbeitsgesellschaft. Die dadurch bewirkte Prägung ihrer Bürgerinnen und Bürger wirkte über 1990 hinaus nach und „existiert als Grundrauschen bis heute“. Das erklärte Florentine Nadolni, Leiterin sowohl des Kunstarchivs Beeskow als auch des Dokumentationszentrums „Alltagskultur der DDR“ in Eisenhüttenstadt, als sie durch die neue Ausstellung auf den Fluren des Potsdamer Landtags führte. Unter dem Motto „Arbeit, Arbeit, Arbeit“ werden ein Jahr lang 264 Einzelexponate aus den genannten Einrichtungen ausgestellt. Und wenn in der Erklärung dazu, davon die Rede ist, dass diese Exposition im 30. Jahr der deutschen Einheit zu sehen ist, so kann man sicher sein, dass sie nichts, aber auch gar nichts mit diesem Jubiläum zu tun hat.

Was ihr aber keinen Abbruch tut. Zweifellos wird die Ausstellung der damaligen Situation gerecht, „die Darstellung von Arbeit, Arbeiterinnen und Arbeiter war bestimmend und allgegenwärtig in der Bildwelt der DDR“, heißt es im Begleitheft. Die Exponate sind Auftragswerke von FDGB, FDJ, Deutsch-Sowjetischer-Freundschaft u. a. gewesen. Sie zeigen keineswegs billigen Frohsinn, sondern viel Nachdenklichkeit, sie strahlen Ernsthaftigkeit aus. Elf Künstler finden sich mit ihren Werken im Landtagsschloss wieder, darunter Walter Womacka, Vera Singer, Ursula Wolf, Kurt Buchwald. Etwa die Hälfte der hier vertretenen Künstler lebt nicht mehr. Die DDR-Propaganda habe den Arbeiter als führende Kraft darzustellen bemüht, was sicher anfechtbar ist, sagte die Chefin Nadolni. Doch als Norm, als Grundtypus der Darstellung, sei der Arbeiter in der Tat bestimmend gewesen, die Gesellschaft und auch ihre Kunst habe sich an seinem Habitus, seinen Gesten, seiner Mimik orientiert. Der Arbeitshelm war in der damaligen Bildwelt eine Art Krone. Das steigerte sich mitunter zu einem lästigen Proletkult, an dem die so Erhobenen nicht völlig unschuldig waren. („Ich bin Arbeiter, wer ist mehr?“) Es war in diesen Jahrzehnten üblich, das Künstler in Betriebe gingen und dort einfache Menschen porträtierten. Im Landtagsschloss zu sehen sind u.a. acht Arbeiterporträts, geschaffen von Jürgen Parche, der im Auftrag des FDGB tätig war und dafür den VEB Gießerei- und Maschinenbau Torgelow besucht hatte. Immer auch im Zentrum stehend: die werktätige Frau. Und das in einer Zeit, da ihre westdeutsche Schwester noch auf Hausfrau und Puttchen orientiert wurde. So begegnet man in diesen künstlerischen oder journalistischen DDR-Darstellungen keinerlei irgendwelchen gestylten Hochglanz-Puppen, sondern beeindruckenden, kraftvollen Frauen, die sich in Männerberufen behaupteten. Dies illustrierend: Die Fotoserie von Marion Wenzel über eine Frauenbrigade im Halbleiterwerk Frankfurt/O. Zu loben ist insgesamt, dass hier der DDR eine Selbstdarstellung gestattet ist, ohne pädagogisierende oder moralisierende Umrahmung. Wenn Fachfrau Nadolni sagte, dass man „nicht alles unkommentiert“ zeigen könne, so ist das aber letztlich für Besucher der neuen Ausstellung nicht aufdringlich sichtbar. Die Arbeitsstelle war seinerzeit mehr als nur der Job, war ein soziales Gefüge, ein „Kosmos“ sagte die Leiterin. In dem wurde nicht nur die Arbeit geregelt, auch die Kinderbetreuung, Wohnraumversorgung, wie auch die Ferien und Freizeitgestaltung. Nur so ist zu verstehen, wie demoralisierend und für die Menschen entwurzelnd dann die Tatsache wirkte, dass nach 1989 in Ostdeutschland binnen weniger Monate 3 Millionen Industriearbeitsplätze verlorengingen, ferner eine halbe Million Arbeitsplätze in der Landwirtschaft, begleitet von einer Enthauptung des akademischen und Medienbereichs sowie der höheren Verwaltung. Eine ganze Gesellschaft wurde in die Arbeitslosigkeit verstoßen. Vor diesem bis heute nachklingenden Hintergrund wirkt die Gesamtschau wie beinahe aus einer heilen Welt, in der jeder seinen vernünftigen Platz hatte und die sich durch eine enorme Zukunftsgewissheit auszeichnete. Neben Gemälden, Fotos und Plakaten sind Zeitschriften (NBI – die Zeit im Bild“, „Sibylle“, aber auch die Satirezeitschrift „Eulenspiegel“) in ganzen Serien vertreten. Die vergnügliche Lektüre letzterer räumt dankenswerter Weise mit dem Klischee auf, zu DDR-Zeiten seien „alle Menschen gleich“ gewesen oder hätten „alle zusammengehalten“. Die Bruchlinien bei der unterschiedlichen Stellung im Versorgungs- und Austauschsystem waren tiefgreifend. Das erfreulich verbreitete Selbstbewusstsein auch einfacher Menschen – zweifellos ein Verdienst der DDR – war nicht immer frei von Arroganz und Kaltschnäuzigkeit. Für den Betrachter der Kunstausstellung im Parlament besteht auch die Möglichkeit, die Zeitschriftentexte von einst zu den Bilder von einst ins Verhältnis zu setzen. Vieles was wir heute verhandeln, findet sich da wieder, sagte Leiterin Nadolni und bezog sich als Beispiel auf die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Merkwürdig und bezeichnend war, wie die Sammlungen entstanden, aus denen sich die Ausstellung speist. Denn die Parteien und Massenorganisationen, welche die Eigentümer der Kunstwerke waren, lösten sich nach 1990 auf, die Exponate wurden Treuhand-Sondereigentum. In der schlimmsten Phase wurde offen und massiv angezweifelt, dass es sich bei diesen Dingen überhaupt um Kunstwerke handle. Es dauerte eine geraume Zeit, bis klar wurde, dass die so auf die neue Zeit überkommenden Kunstwerke aus Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern in Beeskow ihr Domizil erhalten würden. Nadolni sprach von einem „Geschichtsspeicher“. Die beiden von ihr geleiteten Institutionen würden 170.000 Objekte umfassen, Werke der bildenden Kunst, und damit einen einzigartigen Bestand zum kulturellen Erbe und zur Geschichte der DDR darstellen. Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke, als Hausherrin sozusagen Schirmherrin der Schau, lobte die Arbeit im Kunstarchiv Beeskow und im Dokumentationszentrum Eisenhüttenstadt: „Beide Institutionen leisten verdienstvolle Arbeit für die Sicherung und Präsentation von Kunst- und Alltagskultur der DDR und für unser kulturelles Erbe.“ Mit dem hohen Stellenwert der Arbeit in der Kunst „sind wir im Osten aufgewachsen“. Auch wenn das Selbstverständnis von Arbeiterinnen und Arbeitern in den Betrieben weit entfernt gewesen sei von Heldenfiguren, sei nicht zu übersehen, „wie hoch die Erwartungen an Wirksamkeit von Kunst in der Gesellschaft waren.“ Liedtke lobte, dass die Künstlerinnen und Künstler es immer wieder verstanden hätten, sich der Indienststellung durch die Ideologie zu zu entziehen: „durch Subtexte, Chiffren, feine Unterströmungen – zu fein für manchen Parteifunktionär“. „Arbeit, Arbeit, Arbeit – Serien zur sozialistischen Produktion“ Ausstellung im Landtag Brandenburg, Alter Markt 1, 14482 Potsdam, Die Ausstellung kann montags bis freitags von 8 Uhr bis 18 Uhr besucht werden. Das Landtagsgebäude ist frei zugänglich.